Manchmal stelle ich mir vor, wie das wäre, wenn dieser riesige Apparat Kirche immer mehr schrumpfte. Und das tut er ja! Dieser gigantische Bau über dem, was Jesus einst meinte…

Struktur, Organisation, Rechtsvorschriften, Verwaltungseinheiten, geregelte Ordinarien, Haushaltspläne, Arbeitgeber, Bestimmungen ohne Ende…

Wie wäre es, wenn es keine organisierte Wohlfahrt, keine Anlaufstellen für Menschen in Nöten mehr gäbe?

Keine Gebäude, Einrichtungen, Häuser, in denen Menschen zusammen kommen, sich erholen, beraten werden, beten, tanzen, essen? Freilich wären dann auch die Pfarrerpersonen nicht mehr bezahlt – sie würden nebenberuflich arbeiten und hätten einen dreijährigen Bibelkurs vielleicht hinter sich. Sie müssten sich nicht mit Dingen beschäftigen, die sie nicht vor hatten als sie diesen Beruf wählten.

Statt in Gotteshäusern würde man sich in kleinen Kreisen zu Hause treffen. Menschen, erfüllt von Liebe und Vertrauen, würden sich gegenseitig darin stärken, den Weg des Glaubens zu suchen und zu gehen. Alles wäre zerstreuter, als es jetzt schon ist. Christen hätten weniger zu sagen und mitzubestimmen.

Mir kommen da einige Bedenken: Es könnte theologisch rückschrittlich werden, fundamentalistisch hinabgleiten – oder zu sehr ins rein Private. Auch wäre ich traurig über den Verlust von gemeinsam Ritualen und Bräuchen. Um einiges zu nennen

Wir haben oft so viel Angst vor Veränderung. Dabei könnten wir auch von Veränderungen träumen und sie gestalten! Vielleicht würden wir zu mehr Freiheit finden? Vielleicht würden mehr Menschen mitmachen wollen als wir erhofften?

So ähnlich haben die ersten Christen in ihren kleinen Urgemeinden gelebt. Von Anfang an gab es die Ältesten der Gemeinde. Es waren Menschen mit einer vielleicht besonderen Begabung und Charisma. Kluge, einsichtige,  verantwortungsvolle Menschen, von denen andere wussten, dass sie sich auf sie verlassen können.

Solche Ältesten haben wir immer noch. Menschen, die sich aus freien Stücken in unseren Gemeinden einbringen, sie mitgestalten, geduldig begleiten, ansprechbar sind.

Einige von Ihnen haben über so viele Jahre mitgearbeitet und

vera

bschieden sich jetzt. Sie können stolz sein auf das, was sie eingebracht haben. Wir können dankbar sein, dass sie all die Jahre treu waren und sich so unglaublich viel und lange zum Teil eingesetzt haben!

Andere

stellen sich jetzt neu zur Wahl und haben frischen Mut, neue Ideen. Sie stellen sich hier vor! Sie freuen sich, wenn sie gewählt werden! Gott segne unsere Gemeinden, Gott schenke Mut auch zur Veränderung und Neuanfang in so vieler Hinsicht!

Dankbarkeit ist heute selten geworden. Wir haben hohe Ansprüche. Schnell hat man den Eindruck, zu kurz zu kommen. Wir scheinen immer mehr zu brauchen, anstatt zu genießen. Immer sind die anderen schuld, wenn es einem nicht gut geht. Sie geben nicht, was man doch unbedingt zum Leben braucht. Der französische Philosoph Pascal Bruckner vergleicht den Menschen mit einem Riesenbaby, das nicht genug bekommen kann.

 

Der Engel der Dankbarkeit möchte einen neuen Geschmack in dein Leben bringen.

Er möchte dich lehren, alles mit neuen Augen anzuschauen. Mit den Augen der Dankbarkeit. Du kannst mit einem dankbaren Blick auf den neuen Morgen schauen. Du kannst ( einigermaßen) gesund aufstehen. Du siehst die Sonne aufgehen. Du bist dankbar für den Atem, der dich durchströmt. Du bist dankbar für die Gaben der Natur. Du schaust auf das in deinem Leben, was dich dankbar werden lassen kann.

Dankbarkeit macht das Herz weit und froh. Du bist nicht fixiert auf Dinge, die dich runterziehen. Du fängst den Morgen nicht gleich mit Ärger über irgendein kleines Missgeschick an.

Es gibt Menschen, die sich das Leben schwer machen, weil sie hauptsächlich das Negative sehen. Je mehr man auf das Negative sieht, umso mehr erlebt man auch davon.

 

Ich habe mit den Kindern in der Schule das neue Jahr damit angefangen, dass jede/r in ein Herz oder eine Wolke eintragen konnte, wofür er/sie dankbar ist. Es war ganz rührend, denn es kamen so grundlegende Dinge::

Ich bin dankbar, dass ich Freunde habe, dass ich Eltern habe, dass es geschneit hat und Gott das Wetter macht, dass ich Fußball spielen kann, dass es meiner Schwester gut geht gerade.

 

Wenn du zu danken anfängst, wirst du erkennen, was dir in deinem Leben alles gegeben wurde.

Du wirst dankbar sein für deine Eltern, die dir das Leben gegeben haben. Du wirst dankbar sein für alle positiven Erfahrungen durch sie, aber auch für alle Wunden und Verletzungen, denn sie haben dich zu dem geformt, die du jetzt bist. Ohne Wunden wärest du satt und unempfindlich. Du würdest andere Menschen in Not und Leid nicht verstehen.

Der Engel der Dankbarkeit möchte dir die Augen dafür öffnen, dass sich deine Wunden zu einem kostbaren Schatz verwandeln.

Der Engel der Dankbarkeit schenkt dir neue Augen um die Schönheit wahrzunehmen und zu genießen. Die Wiesen und Wälder, die Berge und Täler, die Schönheit des Meeres, der Flüsse, der Seen, die Anmut eines Rehs. Wie Gott dich dadurch berühren möchte.

Wer dankbar auf sein Leben schaut, hört auf gegen sich und sein Schicksal zu rebellieren. Er erkennt, dass täglich neu ein Engel in sein Leben tritt, um ihm die liebende und heilende Nähe Gottes zu vermitteln.

Versuche, mit dem Engel der Dankbarkeit in dein neues Jahr zu gehen. Du wirst sehen, wie alles in ein anderes Licht eintaucht und dein Leben einen neuen Geschmack bekommt.

Du kannst den Engel der Dankbarkeit auch bitten, dass er zu dir kommt. Immer dann, wenn du dich dabei ertappst, traurig und unzufrieden zu werden.

Der Engel lehrt dich, die Menschen und Verhältnisse, die dich umgeben, so anzunehmen wie sie sind. Eine Frau betete jahrelang für ihren alkoholkranken Mann, dass er sich ändern möge. Erst als sie den Mut aufbrachte, für ihren Mann zu danken, so wie er ist-  dass er da ist – ergab sich für ihn die Möglichkeit, sein Leben zu ändern, weil er nicht mehr den Anspruch an sich fühlte. Weil er sich angenommen und bejaht fühlte, brauchte er keinen Alkohol mehr.

Kennen Sie den sogenannten Vorführeffekt?

Schon schaut einer zu, geraten die Dinge anders als gewohnt. Meistens geht etwas daneben. Was eigentlich sicher saß, auf einmal ist es zunichte. Ärgerlich. Manchmal ist es aber auch besser als gedacht! Wenn mich einer beobachtet, sein Augenmerk auf mich richtet, dann verändert sich etwas. Das ist selbst in der Quantenphysik so. Eine der sonderbarsten Annahmen der Quantentheorie, die Philosophen wie Physiker schon seit langem fasziniert, lautet, dass durch die Beobachtung einer Gegebenheit der Beobachter diese beeinflusst.
In einer Studie führten Forscher am Weizmann-Institut ein kontrolliertes Experiment durch, das demonstriert, wie Elektronen durch den Akt der Beobachtung beeinflusst werden.

Man kann nicht beobachten, ohne zu verändern. Werner Heisenberg

Was bei Elektronen der Fall ist, geschieht auch bei uns Menschen. Die Art und Weise, wie wir uns gegenseitig beschauen und beantworten, hat Auswirkung auf die eigene Realität. Sehen und Gesehenwerden. Nicht gesehen zu werden in dem, was einer tut, kann und leistet, macht krank. Nichtbeachtung ist Vernachlässigung.

Die Jahreslosung für das Jahr 2023 lautet: Du bist ein Gott, der mich sieht. ( 1. Mose 16,13)

Ihn spricht eine ausgestoßene Frau, die alleine in der Wüste umherirrt. Sie ist Stammmutter des Islams. Hagar, die zusammen mit Abraham Ismael zeugt. Sie erfährt, dass Gott sie sieht. Das allein schon verändert ihre Situation. Im Glauben an einen liebevollen, verstehenden Gott entsteht eine innere Repräsentanz, die einen Menschen unabhängig von den Begutachtungen anderer macht. Durch die Erfahrung von Gott gesehen zu werden, weiß sie, dass ihre Würde unantastbar ist. Sie lässt sich leiten allein von diesem in Würde und Liebe getragenen Blick. Wer das erfährt und das selbst lebt und ausstrahlt, auf dem liegt Segen.

Ihre Pfarrerin Claudia Henrich-Eck

 

 

 

 

Was feiern wir an Pfingsten eigentlich?

Wie eine Katastrophe muss der Tod Jesu sich für die Freunde angefühlt haben. Sie sind entmutigt.  Das war nicht leicht zu verstehen.

Wie sollten sie damit umgehen? Das Kreuz ist zunächst ein Zeichen des Scheiterns.

 

Als Jesus ging sagte er unverständliche Worte wie:

”Ich schicke euch einen Tröster. Wenn ich fortgehe, dann kommt der Tröster. Der wird bei euch sein.” Man nennt ihn den Parakleten.

Was tröstet denn? Man kann sich trösten, getröstet werden – oder sich vertrösten. Ist ein Stück Schockolade, in Freude genossen  – ein schwacher Trost? Eine heiße Badewanne – trostvoll, ja, – aber verströstet sie nicht nur, wenn in meinem sonstigen Leben alles beim Alten bleibt?

Einen Trost, der auf Grund geht

Im Glauben an einen lebendigen Gott, der sich in Jesus Christus gezeigt hat, erfahre ich einen Trost, der tiefer ist als alles andere. Der ganz auf den Grund geht. Einen Trost, der mich als ganzen Menschen meint, der hineingeht in meine Angst, in meine Unzulänglichkeit, in meine Abgründe, der ich umfasst, umfängt, der mir Halt gibt.

 

Und an Pfingsten geht es darum, dass wir das feiern!

Es ist das Fest der Erfüllung, der Sinne, des sich Berauschens an dieser Freude! Es geht darum, diese Freude, die Kraft Gottes zu spüren, sie zuzulassen, sie zu erleben mit allen Sinnen. In ihr zu schwelgen, es ihr zu überlassen, Besitz von mir zu nehmen.

So wie das gewaltige Brausen, der Sturm der Ergriffenheit, das ekstatische Feiern der Liebe, die man in gemeinsamen Momenten spürt. Wie kann man sich das vorstellen? Wie auf einer Party, alle tanzen, bewegen sich, lachen, springen, jauchzen. Sind froh!

Das ist Gottes Geist, der in uns Menschen wirkt. Und das kann überall sein und nicht nur bei den Menschen, die vorher beten.

Diese Freude lässt sich nicht auf den sogenannten religiösen Bereich begrenzen, sie ist da, wo Menschen sie spüren. Ich kann als gläubiger Mensch diese Kraft Gottes der Liebe inmitten eines profanen Ereignisses spüren.

Und ich weiß dann allerdings, dass es nicht die Kraft der Schokolade oder der tönenden Lautsprecher ist, die da wirkt, sondern dass es Gottes feurige Kraft ist, dich mich trägt, tröstet, begleitet in Zeiten der Traurigkeit und Angst. Das ist ein Unterschied.

 

Diese Kraft will uns in die Wahrheit leiten, heißt es. Was auch immer Wahrheit ist, und was sie bedeutet. Es ist wichtig zu verstehen, dass wir diesen Trost, von dem Jesus gesprochen hat, auch tatsächlich spüren. Sonst sind nämlich auch Worte in der Predigt, in der Kirche nur Vertröstung. Ich kann mir Trost nicht immer nur vorstellen. Ich muss ihn auch tatsächlich erleben. Ich kann nicht an schönen Psalmen hängen und den Worten Jesu nachgehen, wenn ich sie nicht irgendwann mal wirklich erlebe. Es muss solche Zeiten im Leben geben: gute Zeiten, Zeiten voller Trost.

Jesus sagt: ”Euer Herz sei voller Freude! Und diese Freude kann euch niemand nehmen.” Er spricht von der Freude durch eine lebendige Beziehung im Glauben an Gott. Aber das ist keine rein fromme, religiöse Übung im Geist, sondern darf mit genommen werden in alle Bereiche des Lebens!

  • So kann aus bloßen Inliner fahren – eine Freude der Hingabe an den Genuss der Bewegung werden,
  • Das Genießen von Schokolade, von Wein, von körperlicher Zärtlichkeit, alles kann zu einer religiösen Erfahrung von Hingabe und Freude im Bewusstein werden, dass das Gottes Kraft, Gottes Geschenk, Gottes Wille ist.

 

 

 

 

 

 

 

 

Auf der Suche nach dem Göttlichen

Der Meister war in mitteilsamer Stimmung, also versuchten die Schüler von ihm zu erfahren, welche Entwicklungsstufen er auf seiner Suche nach dem Göttlichen gemacht hatte.

„Zuerst nahm mich Gott an der Hand und führte mich in das Land der Tat. Und dort blieb ich mehrere Jahre.

Dann kehrte er zu mir zurück und führte mich in das Land des Leidens. Dort lebte ich bis mein Herz von jeder übermäßigen Bindung gereinigt war. Darauf fand ich mich wieder im Land der Liebe, dessen Flamme alles verzehrte, was von meinem Selbst übrig geblieben war.

Und das brachte mich in das Land der Stille, wo die Geheimnisse von Leben und Tod vor meinen staunenden Augen enthüllt wurden.

„War das die letzte Stufe eurer Suche?“

„Nein“, sagte der Meister, „eines Tages sagte Gott: Heute werde ich dich in das innerste Heiligtum des Tempels mitnehmen, in das Herz von Gott selbst.

Und ich wurde in das Land des Lachens geführt.“  (de Mello)