Der Tag beginnt damit, dass ich aufatmen kann

Wann beginnt das neue Jahr? 

 

In den alten Kulturen begann das neue Jahr oft im Frühling.     

Da leuchtet das Leben mit der Natur herein nach der langen Zeit des Dunkels, der Kälte und des Wartens und dem Aufbruch der Kräfte und Säfte.

Eine ganz andere Vorstellung im hebräischen Denkraum: Das Neujahrsfest ( Rosch Haschannah ) findet im September statt. In Verbindung mit Jom Kippur, dem Fest der großen Versöhnung. Versöhnung der Menschen mit Gott und untereinander.

Neujahr im Herbst? Es lohnt sich nachzuspüren, was die Menschen veranlasst haben könnte. Ob es das Gefühl war, dass wir alle vor neuen Aktivitäten erst einmal Ruhe brauchen? Rückzug – Nach-innen-Gehen – eine Brachzeit?

Das Jahr ist im jüdischen Denken aufgebaut wie jeder Tag: Der Tag beginnt mit dem Abend. Nicht wenn das Licht kommt und die neue Lebenskraft da ist, nicht nach der Nacht, sondern in der Abenddämmerung, genauer mit dem Auftauchen der ersten drei Sterne am Himmel. Das heißt: Erst einmal loslassen, zur Ruhe kommen, bei mir sein und auftanken. Aus der Ruhe und Rekreation heraus entsteht neuer Tatendrang und frisches Tun.

Stellen Sie sich vor: Der Tag beginnt damit, dass ich aufatmen, mich hinsetzen und die  Hände in den Schoß legen darf. Das Tun beginnt erst nach dem Empfangen. Theologisch bedeutet das: erst kommt die gute, befreiende Botschaft von Geborgensein bei mir ganz an. Dann mache ich mich auf und bin erfüllt von Kraft und bewusstem Tun.

Genießen wir also noch ein bisschen die Zeit des Dunkels und des Rückzugs. Vertrauen wir darauf, dass Gott, das Leben, uns zur rechten Zeit neu beseelt.